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Aumiiller, Matthias (Hg.): Narrativität als Begriff. Analysen und An- wendungsbeispiele zwischen philologischer und anthropologischer Orientierung (Narratologia 31). Berlin/Boston: Walterde Gruyter, 2012. 325 S.
War die Erzähltheorie ursprünglich eine Domäne der Literaturwissenschaft, so hat sie sich im Laufe der letzten Dekaden zunehmend aus diesem disziplinären Korsett befreit und unter dem Begriff der Narratologie als fächerübergreifendes For- schungsfeld fest etabliert. Diese Entwicklung ist einerseits konsequent, da narrative Strukturen nicht allein in literarischen Texten vorzufinden sind, sondern die Kommunikation in den unterschiedlichsten Lebensbereichen maßgeblich prägen. Andererseits birgt sie die Gefahr, die Spezifik der jeweiligen Untersuchungs- gegenstände aus diesen Lebensbereichen hinter einer unifizierenden Terminologie zu verdecken. Auf diese Situation reagiert der vorliegende Band, indem erden viel- versprechenden Versuch unternimmt, die unterschiedlichen Begriffsverwendungen des Terminus Narrativität und die mit ihm jeweils verbundenen Konzepte in einer repräsentativen Auswahl von Fächern vorzustellen und auf diese Weise auch ver- gleichbar zu machen. Er geht zurück auf die Tagung Narration - Kognition - Text. Der Erzählbegriff in verschiedenen Disziplinen, die vom Zentrum für Erzähl- forschung an der Bergischen Universität Wuppertal am 04. und 05. Dezember 2009 ausgerichtet worden ist, und versammelt zwölf Beiträge aus den Bereichen Li- teratur- und Sprachwissenschaft, Film- und Medienwissenschaft, Geschichts- wissenschaft, Journalistik und Philosophie sowie Psychologie und Soziologie.
Angesichts der Vielfalt dessen, was unter Narrativität verstanden werden kann, plädiert der Herausgeber in seiner Einleitung. Zur Theorie der Begriffsexplikation dafür, auf eine Definition dieses Terminus im sprachphilosophisch realistischen Sinne zu verzichten, da dabei anhand einzelner Merkmale nach dem " Wesen" (S. 5) des zu bestimmenden Gegenstandes gefragt würde. Gerade diese Frage aber sei nicht zielführend, weil einem abstrakten Erkenntnisgegenstand wie dem Narrativen oder der Erzählung mit empirischen Belegen nicht beizukommen sei. Vielmehr seien "die entsprechenden Phänomene, die als Beleg angeführt werden, nicht nur abhängig [...] von den Begriffen, mit denen wir sie erfassen, sondern mit diesen Begriffen identisch [...]." (ebd.) Man muß Matthias Aumüllers Nominalismus kei- neswegs folgen, um die von ihm vorgeschlagene Alternative dennoch plausibel zu finden: An die Stelle einer Definition solle die mit ihr verwandte Begriffsexplika- tion treten, die zwar nur über ein reduziertes definitorisches Potential verfüge, sich dafür aber nach ihrer Einfachheit, Präzision und Nützlichkeit bemessen lasse. (Frei- lich kann es hier nicht um eine schlichte Entweder/Oder-Entscheidung gehen, son- dern nur um ein Sowohl-als-auch. Würde man nämlich...