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Märchen in Erziehung und Unterricht heute. 1 : Beiträge zu Bildung und Lehre; 2: Didaktische Perspektiven, ed. Kristin Wardetzky / Helga Zitzl- sperger im Auftrag der Märchen-Stiftung Walter Kahn. Baltmannsweiler: Schneider 1997 (Veröffentlichungen der Europäischen Märchengesellschaft 22). 280; 165 p.
Mit den beiden, 27 Beiträge umfassenden Sammelbänden dokumentiert die Eu- ropäische Märchengesellschaft ihren zweiten, 1996 an der Pädagogischen Hoch- schule Weingarten veranstalteten märchendidaktischen Kongreß. Der erste fand 1984 unter dem (fast) identischen Titel Märchen in Erziehung und Unterricht statt und wurde in dem von Ottilie Dinges, Monika Born und Jürgen Janning als Band 9 der Reihe herausgegebenen Band (Kassel 1986) veröffentlicht. In den zwölf Jahren hat sich vieles verändert.
Heinz-Albert Heindrichs sucht in seinem eingangs plazierten kunstphiloso- phischen Beitrag (Märchen heute - warum, t. 1, p. 5 - 16) die märchendidakti- schen Perspektiven, die sich für ihn "im Verlauf der Nachkriegszeit zumindest einmal um ihre eigene Achse gedreht haben" (7), durch rückbesinnende Orien- tierung am Kunstwerk aufzuhellen, wobei er sich aber vom früheren musischen Bildungsideal distanziert. In einem musikdidaktischen Bogen, der sich von Carl Orffs Schulwerk zu Adornos musikphilosophischer Replik spannt, sucht er dem Begriff der ,Musiké4, unter dem im antiken Griechenland vor allem die Einheit von Musik, Sprache und Bewegung verstanden wurde, in der unübersichtlichen, im Sinne McLuhans mosaikartigen Struktur der Mediengesellschaft neue Di- mensionen abzugewinnen.
In dem mit Märchendidaktik heute (1, 48-65) überschriebenen Beitrag stellt Kaspar H. Spinner die zeitgenössische Märchendidaktik in Bezug zur Postmo- derne-Diskussion. Von der Auflösung des ,monolithischen Märchenbegriffs4 (50) ausgehend, propagiert er einen poststrukturalistischen Zugang zum Mär- chen, der darin bestehe, weniger seine Einheit zu suchen, als seine "faszinierende Vielfalt und Widersprüchlichkeit zu entdecken" (51). Ergiebiger als diese post- moderne Umschreibung der Deutungsvielfalt des Märchens ist der Hinweis, daß in den Märchentextschöpfungen von Kindern, in denen das Abenteuer risikolos konsumiert werde, postmoderne Mentalität durchscheine. Man müsse sich fra- gen, ob das Märchen den Kindern der heutigen Erlebnisgesellschaft noch als Le- benswegmodell diene (53). Im folgenden Diskurs um den Konstruktivismus, der von der rezeptionsästhetischen Grundthese ausgeht, daß der Sinn eines Textes vom Leser mitgeschaffen werde, wird das Märchen als Medium autobiographi- schen Erzählens ein wenig überstrapaziert, so daß sich dieser Ansatz dem Vor- wurf subjektivistischer Beliebigkeit aussetzt. Abschließend sucht Spinner den Gegensatz von begrifflichem und bildhaftem Lernen mit dem Konzept...