Content area
Full Text
Jochen Bojanowski: Kants Theorie der Freiheit. Rekonstruktion und Rehabilitierung. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 2006. 314 Seiten. ISBN 978-3-11-018944-5.
Das erklärte Ziel des Buches ist die systematische Rehabilitierung der kantischen Freiheitstheorie. Um dieses Ziel zu erreichen, versucht Bojanowski einerseits zu zeigen, dass der Großteil der gegen Kant erhobenen Einwände gegenstandslos ist; andererseits die Möglichkeit darzulegen, dass die kantische Position auch für die gegenwärtig heftig geführte Debatte über die menschliche Willensfreiheit fruchtbar gemacht werden kann (IX).
Der Verfasser identifiziert zwei Haupteinwände gegen die kantische Freiheitstheorie: Der erste Einwand richtet sich gegen das kantische Vorgehen, auf der einen Seite an einem absoluten Determinismus festzuhalten, der mit dem newtonischen Weltbild kompatibel ist, auf der anderen Seite jedoch einen absoluten Freiheitsbegriff zu vertreten. Der kantische Ausweg besteht nach Meinung der Kritiker darin, eine zweite, übersinnliche Welt, die Welt der Dinge an sich, zu etablieren. Das Problem ist ihrer Meinung nach auf diese Weise nicht gelöst worden. Stattdessen stellt sich die Frage, wie beide Formen der Kausalität miteinander in Einklang zu bringen sind. Der zweite gegen Kant erhobene Vorwurf, dem sich Bojanowski in seiner Arbeit stellen will, lautet, dass Kant im Rahmen seiner Moraltheorie und deren systematischer Begründung notwendigerweise den guten Willen mit einem freien Willen identifiziert habe und unmoralische Handlungen entsprechend unfrei geschehen sein müssten.
In Teil I wird eine Exposition des kantischen Freiheitsbegriffs geliefert. Da nach Ansicht des Verfassers erst der Zusammenhang zwischen der kantischen Moralphilosophie und dem absoluten Freiheitsbegriff geklärt sein muss, bevor die ganze Dimension der Auflösung der dritten Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft überblickt werden kann, beginnt der Verfasser entgegen der sonst üblichen Vorgehensweise nicht mit der historisch früher erschienenen KrV, sondern mit der Kritik der praktischen Vernunft. Er stellt heraus, dass ein relativer Freiheitsbegriff, der auch für Kant kein Problem darstellt, für eine universalistische Ethik mit einem kategorisch gebietenden Imperativ ungenügend ist. Stattdessen muss Kant einen absoluten Freiheitsbegriff zugrundelegen. In der Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Freiheit kann laut Bojanowski die Differenzierung zwischen Willensund Handlungsfreiheit wiedererkannt werden. Es folgt eine Darlegung der systematischen Funktion des Freiheitsbegriffs innerhalb der kantischen Moralphilosophie. Bojanowski arbeitet die durch Kant gelieferte positive Bestimmung von Willensfreiheit heraus, nämlich das Vermögen der reinen Vernunft, für sich selbst praktisch zu sein, indem der Wille sich selbst das Gesetz in...