Content area
Full Text
Anlässlich: Konrad Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln, 3 Bde., Berlin: Walter de Gruyter 2007. Band 1 : Pragmatik und Sprachtheorie, Band 2: Prozeduren des sprachlichen Handelns, Band 3: Diskurs - Narration - Text- Schrift.
0. Einleitung
Im akademischen Kanon der heutigen Sprachwissenschaft markiert die "Pragmatik" als Lehre vom sprachlichen Handeln einen Gegenstandsbereich, der die Reihe der Strukturebenen: Phonologie - Morphologie - Syntax - Semantik über die letztere hinaus fortzusetzen scheint. Angesiedelt hat sich in der pragmatischen Schublade keineswegs nur die von Austin und Searle begründete Sprechakttheorie. In allen marktgängigen Einführungen und Lehrbüchern findet man darüber hinaus ein (oft recht willkürlich anmutendes) Ensemble aus Elementen und Theoremen der Gesprächsanalyse, der Text- und Diskurslinguistik, der Interaktionssoziologie, der sozialwissenschaftlichen Kommunikationsforschung. Auch klassischerweise zur Semantik oder zur Grammatik rechnende Stoffe tauchen auf (Deixis/deiktische Ausdrücke, Artikelgebrauch), ebenso Sprachsoziologisches (Höflichkeit z.B. fehlt selten!). Weiterhin sind Themen und Stoffe häufig vertreten, die man eher der "angewandten" Sprachwissenschaft zuordnen möchte: Kommunikation in Institutionen und Organisationen. All das erweckt einerseits den Eindruck einer "residualen" Pragmatik, in der untergebracht wird, was sich der strengen Form- und Strukturanalyse zu entziehen scheint, insbesondere das, was an den Scharnierstellen zwischen genuin linguistischer Strukturwissenschaft und (soziologischer, psychologischer) Prozesswissenschaft vermittelt. In dieser akademischen Realität der linguistischen "Pragmatik" ist unschwer noch die wirkungsmächtige Saussure-Interpretation auszumachen, wonach die Thematisierung der parole unter Aspekten, die nicht zur langue gehören, aus der inneren Sprachwissenschaft herausführt. Andererseits bestätigt auch das, was auf den ersten Blick aus dieser Logik herauszuführen scheint, noch deren Fortwirken: die alt-neue Vorliebe für Anteile und Segmente der "Pragmatik", die zumindest partiell formalisiert dargestellt werden können ("interface"-Themen wie Satzmodus, Modalpartikel, Einstellungsadverbiale, Präsuppositionen).
Gegenüber diesem immer zwischen partieller Einverleibung und Ausstoßung der Pragmatik schwankenden Zustand verkörpert die Funktionale Pragmatik einen axiomatischen Gegenentwurf. Dessen zentraler Leitsatz lautet: Alles ist von Vornherein auf den Handlungscharakter des Sprechens einzurichten und abzustellen. Alles, was sich der sekundären Zuwendung der Linguisten als "Strukturorganisation" natürlicher Sprachen darstellt, besteht aus Formen der geronnenen, vergegenständlichten Vielebenenorganisation des sprachlichen Handelns und ist nur durch konsequenten Rückbezug auf aktionale Logiken (im weitesten Sinne) schlüssig zu erklären. System und Handlung sollen sich nicht gegenüberstehen, vielmehr ist das System aus den gleichsam geronnenen dynamischen Erfordernissen des Handelns heraus zu verstehen und zu rekonstruieren (II, S. 1 0).
Die funktionale Pragmatik setzt auf die Verflüssigung der...