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Othmar Keel, Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus (Göttingen 2007, Vandenhoeck & Ruprecht, Orte und Landschaften der Bibel, Bd. IV/1, 2 Teilbde., 1384 S., geb. 3 149,00). [Wie ihr Gegenstand hat die Doppelmonographie eine Geschichte. Begonnen als Teilband zu »Lage, Name, Geschichte« eines biblisch-archäologischen Studienreiseführers für Jerusalem (neben M. Küchler, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer, Orte und Landschaften der Bibel IV/2, Göttingen 2007; vgl. ZAW 120, 2008, S. 462f.) bietet das nach 22 Jahren abgeschlossene Werk eine Synthese der jahrzehntelangen Arbeit des Vf. und der von ihm angeregten »Freiburger Schule«. These und Programm des Buches zeigen sich in der Verschränkung der Darstellung der Geschichte des vorrömischen Jerusalems und derjenigen der Entstehung des Monotheismus: Dem Vf. geht es weniger um die Daten des politischen Geschehens der Stadt, insofern diese allein als Rahmen für die Nachzeichnung des religiösen Lebens der Stadt interessieren, deren weltgeschichtliche Bedeutung eben in der Hervorbringung des Monotheismus besteht. Die entscheidenden Prozesse und Elemente der Entstehung des in seinen Ursprüngen urbanen Monotheismus stellen sich für den Vf. wie folgt dar: Viel verdankt sich der Lage des um 1700 v.Chr. gegründeten Jerusalems, die eine wohlinformierte Analyse des über lange Zeit in sicherer Distanz erlebten Weltgeschehens ermöglichte. Der Name der Stadt weist auf einen ursprünglichen Sonnenkult, genauer das kanaanäische Götterpaar der Morgen- und Abendsonne, Schachar und Schalem. Auf den Sonnenkult weisen auch Ortsnamen in der Umgebung wie Bet-Schemesch und En-Schemesch. Begleiter des Sonnengottes sind Zedek und Mischpat sowie die in Personennamen der Armanakorrespondenz belegte Göttin Cheba. Einen Reflex der Sonnengott-Geschichte dieser Zeit erkennt der Vf. in der Überlieferung der Zerstörung Sodoms. Sie wurde wie die Funktion des Sonnengottes als Wahrer der Ordnung und des Rechts später auf Jhwh übertragen. Mit der Eroberung Jerusalems durch David gelangte der Kult des aus dem nordwestlichen Arabien stammenden Sturmund Wettergottes Jhwh in die Stadt. Sein Kultsymbol war die von David in die Stadt überführte Lade mit zwei Steinen. Unter Salomo wurde dem zunächst an der Stelle des heutigen Felsendoms unter freiem Himmel verehrten Sonnengott erstmals ein Tempel erbaut. Sein Kultsymbol war ein leerer Cherubenthron. Jhwh bzw. sein Kultsymbol fand zunächst in einer dunklen Seitenkapelle eine neue Heimat. Später wurde die Lade Jhwhs als Schemel unter den leeren Thron gestellt. Wohl bis zum Ende des 8. Jh. v.Chr. waren mit den Kultsymbolen die beiden Gottheiten zu der einen Gottheit Jhwh verschmolzen, die sich wahlweise als Sonnengott oder Kriegs- und Sturmgott manifestieren konnte. Eine weitere Komponente trug der Nordreichsprophet Hosea bei, der für Jhwh auch die Gabe der Fruchtbarkeit beanspruchte. Mit dem Auftreten der Assyrer erlangte Jhwh in der politischen Botschaftdes Propheten Jesaja universale Züge. Es bildete sich der inklusive Monotheismus Judas aus, in dem unterschiedliche Erfahrungen mit unterschiedlichen Göttern auf Jhwh übertragen worden sind. Parallel dazu entwickelte sich nach der Rettung Jerusalems 701 und unter Beeinflussung von exklusiven Jhwh-Vorstellungen aus dem ehemaligen Nordreich eine nationalreligiöse Verehrung des einen, allen anderen Göttern überlegenen Gottes Jhwh. Dieser partikulare Monotheismus formulierte seine Ideologie nach dem Vorbild altorientalischer Vasallenverträge im Dtn und qualifizierte alles, was dem neuen Purismus widersprach, als »kanaanäisch« ab. Hierzu gehörte auch die Aschera, deren Kultbild unter Joschija aus dem Jerusalemer Tempel entfernt wurde, wo sie allerdings schon seit dem 8. Jh. eher eine Nebenrolle gespielt hatte. Die letzten Jahre bis zur Zerstörung Jerusalems stellen sich dem Vf. dar als Konflikt zwischen den Nationalreligiösen und deren Gegnern, deren prominenteste Vertreter Jeremia und Ezechiel sind, und den jeweiligen Gotteskonzeptionen. Auch wenn die Katastrophen von 597 und 587 v.Chr. zunächst das Scheitern des par- tikularen Monotheismus bedeutet haben mögen, so prägte der Widerstreit zwischen universalen und partikularen Positionen die folgenden Jahrhunderte. Wie schon die geraffte Zusammenfassung dieses Hauptgedankens deutlich macht (vgl. S. 1270-1282), gibt es kaum eine Frage zur Archäologie, Geschichte und Religionsgeschichte Jerusalems, Israels und Judas sowie zur Literatur des Alten Testaments, die in den beiden Bänden nicht angesprochen und in zupackender Art beantwortet wird. So bietet das Buch auch für diejenigen, die den Thesen des Vf. nicht uneingeschränkt zustimmen mögen, eine unendliche Fülle an Beobachtungen und Fragen, womit dann doch ein Handbuch und Studien(reise)führer entstanden ist. Ein Stichwort- und Bibelstellenregister sowie ein ausführliches Inhaltsverzeichnis (S. 1356-1380) erschließen die Gelehrsamkeit des Buches.] J. C. G.