Rezumat
În articol, analiza romanului educativ al scriitorilor Wieland si Blanckenburg este progresiva. Romanul ilustreaza dezvoltarea tânarului erou prin regasirea de sine. Prezentarea umanitatii lucide superioare ne aminteste de niste reprezentari religioase si substituie modelele de devenire mai vechi, religios definite.
Wolframs Parsifal poate fi considerat drept predecesorul romanului educativ. Parsifal a crescut fara tata, el este, Într-un fel, copilul naturii. Cântecul pasarilor Îi misca inima, el se tine cât mai departe de lume si se considera a fi un "tump", adica un strain printre oameni. Dupa o Întâlnire cu cavalerii, pe care-i considera zei, el ar dori sa-i imita, de fapt, fara a realiza ce Înseamna titlul de cavaler. Doi educatori Îndeplinesc rolul de tata, si anume Gurnemanz si Trevirenz. Ei si Îi formeaza tânarului imaginea despre lume si religie. Trevtizent, de asemenea, Îi dezvaluie taina cupei Graal. Gratie acestor evenimente educative, Parsifal se formeaza ca un om total diferit. El capata cunostinte si calitati pozitive, care, În sfârsit, Îl ajuta sa gaseasca cupa Graal.
Abstract
In the article under consideration the events' development in the Bildungsroman are reviewed by Wieland and Blanckenburg. The Bildungsroman scheme examines the crisis development of a young man in his self-identification. The goal and the explanatory presentation of superior humanity remind of the religious ideas and substitute the older religiously defined models of self-development.
Wolfram's Parzival may be considered as predecessor of the bildungsroman. Parzival grows up without a father, he is a child of nature. The birdsong moves his heart, he sticks remotely to the knight world and may be considered as a "Fool", that is (=i.e.) alienated from the whole world. After a meeting with knights whom he has considered to be gods, he would like to imitate them, without realizing what the knight estate in fact means. He has two educators who perform the role of his father. They are Gurnemanz and Trevrizent who have taught him the formation about the world and religion. Trevrizent has also revealed him the truth about the Grail Cup. Such educational experience makes Parzival to be an absolutely different man. He has acquired knowledge and positive qualities which at last contribute to finding of the Grail Cup. Thus the earthly and religious diadems are connected with the ideal of a medieval man.
Der Werdegang eines Menschen ist eines der am weitesten verbreiteten Themen in der Literatur. Im Werk stellt jede Epoche dem Protagonisten einen eigenen Spielraum zur Verfügung, damit er seinen Werdegang selbst und auf seine Weise gestaltet. Im Mittelalter geschieht die Emanzipation des Einzelnen aus religiösen und sozialen Bindungen traditioneller Art, im 18. Jahrhundert wird das Bedürfnis nach Entfaltung durch Talent und Leistung bestimmt. In den Romanen über "des Helden Bildung" werden Individuum und Gesellschaft einander gegenübergestellt, d.h. die subjektive und objektive Seite der menschlichen Existenz. Dabei fokussiert man sich auf das Subjekt und seine sozialen Gestaltungsprozesse, um daraus zu erschließen, welche konkreten zwischenmenschlichen Beziehungen die Entfaltung der Person beeinflussen. Die Ergebnisse äußern sich in Prozessen der Entstehung von individuellem Handlungswissen und einer allgemeinen Handlungsorientierung. Nur in diesem Fall kann die Sozialisation die Interaktion voraussetzen und soziale Dispositionen des Menschen zur Reflexion, zur Koordination und zur Verständigung bauen.
Der literarische Diskurs über Wort und Begriff Bildung hat eine lange Geschichte. Im Begriff Bildung steckt das Wort "Bild". Dieses Element wurde einer jüdisch-christlichen Tradition entnommen. Als eine der wichtigsten Quellen des Bildungsgedankens erweist sich der sogenannte imago-dei-Gedanke. Das ist die Idee, dass der Mensch das Ebenbild Gottes sei. Bildung entstammt somit aus einer religiösen Vorstellung. Im Schöpfungsbericht der Bibel steht: "Dann sprach Gott: Lasst uns den Menschen machen als Abbild uns ähnlich", d.h. Gott schuf den Menschen als ein Abbild.
Im 14. Jahrhundert kann man eine weitere Auffassung des Bildungsbegriffs finden und zwar in der deutschen Mystik bei Meister Eckhard. Er greift den Begriff Bildung in einem spirituellen Sinne auf: der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen, damit er in ein Bild Gottes verwandelt werden kann. Im Zeitalter der Aufklärung und des Neuhumanismus wurde Bildung im Vergleich zu den Mystikern nicht als die große religiöse (göttliche) Angelegenheit der Seele, sondern als die große weltliche Angelegenheit der Seele betrachtet, die ihre (eigene konzipierte) Selbstformung vollziehen kann.
Im Wörterbuch der deutschen Sprache um 1807 wird Bildung als ein Zustand definiert, in dem der Mensch an Geist und Herz gebildet ist und Geschicklichkeiten und feine Sitten aufgenommen hat. Daraus folgt, dass es die Bildung des Geistes im Sinne von Wissen, die ästhetische Bildung des Geschmacks und die Moralität als eine der höchsten Bildungstugenden gibt.
Als Darstellung und Reflexion der oben genannten Bildungsprozesse entsteht im 18. Jahrhundert der Bildungsroman. Sein Erfinder Christoph Martin Wieland und dessen Nachfolger Goethe prägen eine Darstellungsform, in der gelungene und misslungene Bildungsprozesse von besonderen Individuen das Thema sind: Der Mensch soll sich nun nicht mehr zum Abbild Gottes entwickeln, sondern das Ziel ist menschliche Vervollkommnung. Der Mensch soll in einer Gesellschaft leben, hier geht es um den Forschungsprozess eines Individuums, damit er ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden kann. Der Entwicklungsprozess eines Individuums, sein Bildungsweg bleibt bis heute ein führendes Thema in der Literatur.
Während des Prozesses der Selbstfindung entwickelt der jugendliche Mensch, infolge wachsender Einsicht in die eigenen Möglichkeiten und Grenzen, ein subjektives Gefühl der personalen Identität, ein Bewusstsein der freien Übereinstimmung mit sich selbst als einem konsistenten Ich. Nachdem er sich für einen bestimmten Lebensentwurf entschieden hat, erfährt er im Fortschreiten der Zeit die Kontinuität seiner Verhaltens- und Orientierungsmuster. Die personale Ich-Identität ist als rein formale Zielbestimmung des Bildungsprozesses des jugendlichen Menschen zu begreifen, da sie mit zahlreichen geschichtlichen Inhalten verträglich ist191. Der Bildungsprozess des Individuums durchläuft eine irreversible Folge von komplexen Entwicklungsphasen, wobei jede höhere "Stufe" die vorhergehende voraussetzt. Dieser Prozess vollzieht sich in der Regel krisenhaft, woraus folgt, dass Identitätsbildung durchaus misslingen kann. Die Richtung des Bildungsprozesses zielt auf zunehmende Selbständigkeit des Ichs gegenüber den determinierenden Mächten von Natur, Gesellschaft und Kultur, auf eine Mündigkeit, die an der wachsenden Fähigkeit des einzelnen zu individuellen Problemlösungen sichtbar wird192.
Der jugendliche Mensch gewinnt seine personale Identität in der Regel am Ende der Reifungskrise der Adoleszenz. In der Adoleszenz vollzieht sich der primäre Prozess der Identitätssuche, indem der Jugendliche verschiedene soziale Rollen gleichsam experimentell erkundet, sich reflektierend allgemeiner Handlungsmaximen versichert und in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normenerwartungen sich für einen Existenzentwurf entscheidet, der unter Umständen sein ganzes künftiges Leben bestimmen kann193.
Seit dem 18. Jahrhundert bedeutete Bildung stets Entwicklung zur Humanität, in jeder Epoche werden die Inhalte der Humanität neu definiert. Der Begriff "Humanität" bezeichnet die allgemeine Menschenliebe, Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Es ist keine Beschreibung dessen, was menschlich (also eine tatsächliche Eigenschaft des Menschen) ist, sondern eher dessen, was wünschenswert (und somit noch nicht erreicht) ist. Die Zielbestimmung der Menschwerdung war und ist durch einen Charakterbegriff gekennzeichnet, der den einzelnen einer sittlichen Verantwortung unterstellt, der eine spannungsvolle Balance zwischen den Bedürfnissen des Individuums und den Normerwartungen der Gesellschaft herstellt. Nach Koselleck sind idealtypische Grundzüge im prozessualen Weg der Selbstfindung enthalten, der über die aktive Selbstreflexivität zu personaler Identität als Bedingung der Autonomie des Individuums führen kann194. Ähnliche Ansätze finden sich bei Jacobs, der meint,dass das Individuum "als selbständige, mit originärer Spontanität ausgestattete Größe" in der Gesellschaft anerkannt ist. Das Verständnis der Individualität gründet in der Annahme vom Recht des Einzelnen auf Selbstentfaltung und -verwirklichung.
Die erste Erwähnung über die innere Progression und den individuellen Entwicklungsgang des Protagonisten findet man in Friedrich von Blanckenburgs "Versuch über den Roman" (1774), in dem gefordert wird,dass die Handlung sich auf "die Begebenheit einer Person" konzentrieren solle195. Als eigentlicher Gegenstand des Erzählens wird die "innere Geschichte" des Helden196, die Entwicklung seiner "Denkungs- und Empfindungskräfte"197 erkannt, die zu einem innerlich notwendigen "Beruhigungspunkte" zu führen ist198. Der Bildungsroman soll das Wertungsvermögen und "die Empfindungen des Menschen bilden"199.
Karl Morgenstern hat gegenüber Blanckenburg keine neuen Strukturelemente entdeckt. Er formulierte die Thematik der Entwicklung einer jugendlichen Zentralfigur recht eindringlich: "Bildungsroman wird er heißen dürfen [...], weil er des Helden Bildung in ihrem Anfang und Fortgang [...] darstellt"200. Morgenstern präzisierte auch das Kompositionsprinzip der funktionalen Zuordnung der Figuren und Räume auf die Zentralgestalt hin: der Bildungsroman zeige "Die Menschen und Umgebungen auf den Helden wirkend und die darzustellende allmähliche Bildung seines Innern uns erklärend"201.
Mit Wilhelm Dilthey setzte die literaturwissenschaftliche Theoriebildung der Romangattung unter dem Terminus des Bildungsromans ein. Dilthey präzisierte diesen auf der Basis der harmonisierenden organologischen Bildungsidee der Goethezeit. Er bestimmte als Zielpunkt der dargestellten Entwicklung des Protagonisten, dass dieser "sich selber findet und seiner Aufgabe in der Welt gewiss wird."202, damit war als gattungsspezifische Thematik die Suche eines jungen Menschen nach seiner personalen Identität erkannt. Dilthey bezog sich bei seinem Definitionsversuch auf ein Textkorpus, das der frühen Romantik entstammte. Er begriff jene Zeit als eine "Epoche innerer Bildung", in welcher das Individuum Staat und Gesellschaft als "fremde Gewalt" erfahren habe203.
Jürgen Jacobs geht in seiner Studie von Goethes Paradigma aus und gelangt so zu der Feststellung, der Bildungsroman zeige "die Tendenz zu einem harmonischen Zustand zwischen Individuum und Umwelt"204. Jacobs relativiert "solche Versöhnung zwischen Ich und Welt" am Schluss seines Buches, wo er einschränkend bemerkt, die Realität dürfe dem Protagonisten zuletzt nicht "vollkommen fremd, sinnlos oder feindlich" erscheinen205.
Rolf Selbmann versteht den Bildungsroman als historische "Romanart oder -gattung"206. Er versucht, die Bildungsromane der Romantik als antiklassische "Gegenmodelle" zu begreifen. Als weiterführend erweist sich seine Anregung, die "Antibildungsromane" als "eigenständige Verarbeitungen spezifischer Bildungsvorstellungen" zu verstehen207. In der Tat ist diese Variante der Romanart etwa so alt wie der Bildungsroman selbst. Sie fungiert als kritisches Korrektiv der in den Bildungsromanen gestalteten jeweiligen Leitbilder. Im Antibildungsroman wird in parodistischer oder satirischer Weise eine Bildungsgeschichte erzählt, die "zu Fehlbildungen führt und dem Helden verloren geht"208.
Den größten Beitrag zur Forschung des deutschen Bildungsromans hat Gerhart Mayer geleistet. In seinem Buch "Der deutsche Bildungsroman" versucht er eine Reihe von den deutschen Romanen zur Romangattung "Bildungsroman" einzuordnen, er schreibt, dass die Prämisse des Bildungsromans die Idee der Bildsamkeit des Individuums ist,dessen Fähigkeit,sich während der Jugendzeit und Adoleszenz in Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Umwelt zur personalen Identität, zum Bewusstsein der Konsistenz und Kontinuität des Ichs zu entwickeln209. Daraus ergibt sich als zentrale Thematik der Romanart die erfolgreiche Suche eines jugendlichen Protagonisten nach existenzsichernden Orientierungsmustern, nach Bestimmung seines gesellschaftlichen Standortes. Diese Suche stellt sich als eine krisenhafte innere Progression dar, die in der Regel mit dem Eintritt in die Welt der Erwachsenen, mit der Selbstfindung ihren vorläufigen Abschluss findet. Die innere Progression des Helden kann sich nur mittels einer zeitlichen Progression narrativ verwirklichen. Die Handlungsgegenwart, in der sich der heranwachsende Protagonist bewegt, ist chronologisch geordnet, d.h. die einzelnen Phasen der Progression zeigen eine irreversible Abfolge. Der zielgerichtete Prozess des sich selbst suchenden Helden endet in der Regel in der subjektiven Erfahrung gewonnener Ich-Identität. Die Selbstfindung setzt im Prozess der inneren Progression eine deutliche Zäsur, die sich in der subjektiven Befindlichkeit des Protagonisten äußert. Jetzt hat er eine bestimmte Verhaltensdisposition und Gerichtetheit gewonnen, eine Grundhaltung, die auch die Entscheidung für gewisse sittliche Normen und humane Wertvorstellungen einschließt. Der Held hat sich ein individuell bestimmtes Weltverhältnis erarbeitet, das aus der Erkenntnis der eigenen Möglichkeiten und Grenzen sowie der Einsicht in die notwendigen Widersprüche zwischen Ich und Gesellschaft resultiert. Der Protagonist ist eine Zentralgestalt, der die übrigen Figuren funktional zugeordnet sind. Sie repräsentieren teils die relevanten Lebens- und Erfahrungsbereiche seiner inneren Progression, teils spiegeln sie seine Wesensart. Um den Romanhelden geschieht alles, er ist der Repräsentant der Bildsamkeit. Durch die Reaktionen gewinnt er Profil, daher entbehrt die Fabel des Bildungsromans der spannungsreichen Aktion seitens des Helden. Der Erzähler erscheint didaktisch motiviert, auf Leserlenkung bedacht. Er bemüht sich um klare Übersichtlichkeit des Romanbaus und gibt dem Leser nicht selten Verständnishilfen, etwa durch Vorreden, Kapitelüberschriften, wertende Kommentare und generalisierende Reflexionen. Der Erzähler verkündet sein humanes Leitbild mit entschiedenem Anspruch auf exemplarische Verbindlichkeit, indem er den musterhaften Protagonisten zu gewissen sinnstiftenden Orientierungsmustern finden lässt. Dadurch liefert er dem Leser ein Identifikationsangebot, das diesen zur Reflexion über die eigene Person und deren Verhältnis zu Umwelt und Tradition aufruft.
Die besondere Eigentümlichkeit des Bildungsromans als eine Dichtungsart ruht in einer festen Zielsetzung, zu der Wachstum, Erziehung und Bildung hinzuführen suchen. Der realistische Roman überzeugt von der Möglichkeit einer vollkommenen Entfaltung der natürlichen Anlagen des Menschen. Der Roman des 18. Jahrhunderts führt zur Verkündigung eines Ideals, dessen Sinngebung durch die Aufgabe des Lebens bestimmt ist. Der Wille zu einer Lebenskunst, zur Prägung der Persönlichkeit steigert sich zur verklärten Darstellung einer höheren Form des Menschentums, die als ein Sollen der Realität des menschlichen Daseins gegenübergestellt wird, und diese Zielsetzung gipfelt in einem geradezu religiösen Glauben an die menschliche Existenz, der getragen ist von der Überzeugung, dass der Mensch aus eigener
Kraft sich bereits im Diesseits erlösen kann, dass es ihm gelingt, schon auf Erden einen Zustand menschlicher Vollendung zu erreichen. Ich, Gott und Welt betrachtet man als eine wohlgegliederte Harmonie und alle sozialen Ordnungen erscheinen ausgeglichen. Daraus ergibt sich ein Zustand, der, christlich gesehen, nur im Stadium der jenseitigen Erlösung denkbar ist. So kann der idealistische Bildungsroman einen Ausblick in eine diesseitige Erlösungswirklichkeit geben, in der die Spannungen und Widersprüche des realen Lebens aufgelöst scheinen. Die Verwirklichung des Erlösungsgedankens im Diesseits als eines Zustandes,in den der Mensch durch Vollendung seiner Existenz aus eigener Kraft zu gelangen vermag,konnte überhaupt als möglich gedacht werden, sobald der Mensch völlig auf sich selbst gestellt war. Diese Problema- tik haben große Dichter wie Wolfram von Eschenbach und Grimmelshausen in ihren Bildungsromanen vorbereitet. Obwohl das kirchliche Weltbild des Mittelalters und des Barocks einer solchen weltlichen Zielsetzung entgegenstand, so ist damit bereits angedeutet, wie sehr diese Idee im Wesen des deutschen Bewusstseins verwurzelt ist. Die Vorstellung von einer Vollendung des Menschen und einer irdischen Paradiesesstufe wechseln aber mit der Weltanschauung der Verfasser und der Zeiten. Die Geschichte des Bildungsziels im Rahmen der Bildungsromane ist ein Ausschnitt aus der deutschen Geistesgeschichte.
Der deutsche Bildungsroman ist eine Sonderform des Entwicklungsromans, eine Gattung, die sich durch ihre Großartigkeit, Zielstrebigkeit und Mittelpunktsbedeutung von den anderen europäischen Romanen unterscheidet. Dieser Roman stellt das menschliche Werden unter dem Gesichtspunkt spontaner Eigenkraft, Selbsttätigkeit und Eigengesetzlichkeit dar. Mit Bildung ist nicht bloß der Weg zum Ziel, sondern zugleich das Ziel selbst gekennzeichnet. Gewiss ist die Idee der Bildung nur in der Goethezeit in ihrer ganzen Tiefe erlebt worden. Winckelmann war es, der als erster mit der unerhörten Kraft seiner sinnlichen Anschauungsweise diese von der körperlichen Gestalt abgeleitete Bezeichnung auf geistige Phänomene übertrug und sie zum Mittelpunktsbegriff der Selbstgestaltung des autonomen Menschen erhob. Bildung erscheint hier als Weg zum vollkommenen Gebilde, als Entfaltung eines bloß in der Anlage gegebenen Urbildes. Durchbildung aller Anlagen und Kräfte des Menschen zum geschlossenen Ganzen, zum Mikrokosmos als Spiegel des Makrokosmos wird nun die Zielsetzung des Bildungsgedankens. Zu dem Zustand organischer Vollkommenheit gehört naturgemäss auch die ethische Vollendungsstufe. Bildung im klassischen Sinne ist also zugleich Verkörperung des Wahren, Guten und Schönen, ist Humanität, Kalokagathia.
In den "Lehrjahren" von Goethe handelt es sich um die Darstellung eines deutschen Jünglings in den entscheidenden "Bildungs"jahren. Erfüllt von phantastischen Träumen, tritt er ins Leben. Auf dem Theater sucht er die Erfüllung der Ideale, deren Verwirklichung er im Leben nicht findet. Liebe und Freundschaft fördern seine Entfaltung. Erst nach bitteren Enttäuschungen reift er heran und wird langsam seiner selbst und seiner Aufgabe in der Welt gewiss. Es ist eine Entwicklung von phantastischen Wirren und Stimmungen der Jugend zum reinen und wahren Ideal der Selbstbeschränkung und der Tat,vom egozentrischen Phantasieleben zum wirklichkeitserfüllten Gemeinschaftsleben, vom Schicksalsglauben zur freien Entfaltung des Charakters. Am Schluss des Werkes vermag der Held des Romans als vollendete Persönlichkeit zu erscheinen, die, in sich gefestigt, der Wirklichkeit gegenübertritt.
Die besondere Eigenart der "Lehrjahre" liegt aber darin, dass alle scheinbaren Zufälligkeiten des Lebens sich sinnvoll der Leitidee eingliedern, dass alle Begebenheiten und Begegnungen eine tiefere symbolische Bedeutung haben, dass also nicht eine beliebige individuelle Entwicklung vorgeführt wird, die Ausbildung einer Sonderform des Menschen fördert, sondern dass es sich um eine organische Entfaltung handelt, die dem Streben jeder einzelnen Monade nach letzter Vollendung, nach Ausweitung zu einer Totalität entspricht. Selbstentfaltung der Persönlichkeit in festumrissenen Entwicklungsstufen, Verwirklichung der Existenz unter der Entwicklung der Naturgesetze, Vollendung der Persönlichkeit sind also die eigentümlichen Leitideen, die die "Lehrjahre Wilhelm Meisters" beherrschen.
Der mittelalterliche Roman wie Wolframs "Parzival" kann als Vorläufer des Bildungsromans betrachtet werden, denn er bedient sich der Strukturelemente und der Entwicklungs- und Integrationsgeschichte des Haupthelden als Thema des Bildungsromans. Parzival wächst auf der Burg Soltâne auf, ohne etwas vom ritterlichen Leben zu erfahren, und auch ohne eine entsprechende Erziehung. Nur dank der Beschreibung des Erzählers hat der Rezipient zwei verschiedene Perspektiven auf die Handlung der Soltâne-Szene: 1) Herzeloyde entschließt sich zum Rückzug von der Welt und der Armut,was verdienstvoll ist; 2) Aus der Sicht Parzivals ist diese Handlung problematisch, denn sie schafft viele Schwierigkeiten für seinen Werdegang. Parzival ist motiviert, sein eintöniges Leben auf der Burg zu verändern. Diese Selbstmotivation "Was soll ich tun?" bringt ihn zur neuen Erkenntnis seiner selbst. In der weltlichen Isolierung, weit von der ritterlichen Welt, kann er sein Ich nur durch eine Beschäftigung zeigen, und durch die Jagd der Vögel. Das schockiert die Mutter, an einem Tag fallen die Wünsche der Mutter und des Sohnes nicht zusammen, sie geraten in Streit. Es ist klar, weil der Sohn die mütterliche Liebe bis zu einem bestimmten Alter unbedingt braucht, dann kommt die Zeit, in der der Sohn seine männlichen Fähigkeiten und Eigenschaften durchsetzen will, dafür braucht er freie Bahn und will nicht mehr an der Mutter hängen. Parzivals Mut, seine Laufbahn selbst zu gestalten, sein Selbst zu erfahren ist lobenswert. Nur durch seine eigene Wirksamkeit kann er den Sinn vieler Dinge begreifen. Die Rolle der Mutter bei Parzivals Selbstbestimmung in der Gesellschaft ist gering. Die Mutter ist eine Vertreterin der asketischen Lebensweise, was für Parzival fremd ist. Herzeloyde selbst hat in ihrem Leben Not, Leid, Liebeskummer erlitten, sie ignoriert die weltliche Lebensweise, ihre Normen, Pflichten und Sitten. Die Wirklichkeit des irdischen Lebens assoziiert sie mit der göttlichen Vorausbestimmung ihres Sohnes, der für sie ein Kleinkind bis zu ihrem Abschied bleibt. Man kann vermuten, dass Herzeloyde nicht in der Wirklichkeit lebt, sie existiert, weil sie den Sinn ihres Lebens nur in ihrem Sohn sieht. Alles, was Parzival tut, muss sie unter Kontrolle halten, sie hat nichts mit der Bildung zu tun, es ist nur eine große Furcht vor der Zukunft und vor Parzivals Schritten in die Erwachsenheit. Parzival handelt nicht nach einem bestimmten Schema, er ist ein "Naturkind", das nur instinktiv handeln kann. So findet er, ohne ritterliche Erziehung aufgewachsen, für sich eine Beschäftigung "Vogeljagd", die Teil der Erziehung junger adliger Söhne ist, da die "Vogeljagd" im Mittelalter zu den "Sportarten" gehört. Aber Parzivals erste Erfahrung erweist sich als ambivalent, denn das Verstummen der Vögel bringt ihn zum Weinen [Pr. 118, 7-118, 10]. Er bereut sein Handeln-das Töten der Vögel. Das Motiv des Vogelgesangs weckt in Parzival den Wunsch des Aufbruchs, dieser Wunsch kann Herzeloyde nur Leid bringen. Die Szene mit den Vögeln wird zur Stimme der Sehnsucht nach der Vaterwelt, die ihm versagt ist. Das Erbe des Vaters regt sich in dem Kind, der Erzähler erläutert: des twanc in art und sÎn gelust [Pr. 118, 28]. Gahmurets "art" ist von Sehnsucht nach Ritterschaft und nach Minne bestimmt. Diese Szene zeigt zwei Impulse, die Parzivals Fähigkeiten entlarven:erstens erlegt Parzival wie ein ritterlich erzogenes Kind geschickt die Vögel, zweitens dringt die "süeze" des Vogelgesangs in sein Herz und erregt ein erstes Minneverlangen in dem Kind. Parzival ist ein unerfahrenes Kind, er weiß weder Ritterschaft noch Minne, er ist noch nicht imstande, seine Gefühle zu beschreiben. Herzeloydes Reaktion ist verständlich, sie hasst den Vogelgesang, sie versteht seinen Sinn, deshalb befiehlt sie ihren Jägern, die Vögel auszurotten, die ihrem Sohn das Leid bringen könnten. Parzival bittet die Mutter um Schonung der Vögel, wodurch er sein Mitleid zu den Lebewesen zeigt, aber die Mutter beharrt auf ihrem Befehl, weil sie sich vor der Gefahr fürchtet. Ohnehin sind Herzeloydes Versuche, ihren Sohn bei sich zu halten, vergeblich. Herzeloydes Jäger können nicht alle Vögel töten. Parzivals Wissbegier und seine Ungebundenheit sind stärker als die Befehle der Mutter.
Für den Rezipienten ist es klar, dass Parzivals Bildung in den "Kindheitsszenen" mehr auf Selbstbildung basiert ist. Die Mutter ist ein Hindernis in seiner weltlichen Bildung, es gibt keine richtige Bildung in der falschen Realität, in die die Mutter und ihre Umgebung versunken sind. Diese künstliche Realität kann einerseits für Parzival Nutzen bringen, indem er die Wirklichkeit "rein" wahrnimmt, wie sie ist, in der er auf seine eigene Art handeln kann, andererseits entspricht dieses Handeln den Normen der Gesellschaft nicht und kann zu Irrtümern führen. Parzivals Bildung in der Kindheitsepisode kann man sich anschaulich auf folgende Weise vorstellen: Der Knabe ist von großer Schönheit, physisch im Vollbesitz seiner Kräfte, ihm eignet ein instinktiver Drang und eine angeborene Fähigkeit zur Jagd210. Parzival ist in derselben Zeit feinfühlig, das zeigt seine Reaktion auf den Vogelgesang und die Tötung der Vögel. Er hat ein enges Verhältnis zu seiner Mutter und wendet sich mit allen Problemen und Fragen an sie. Er ist wissbegierig und offen, alles, was für ihn unbekannt ist, will er erfahren und stellt immer direkte Fragen. Er vereint damit positive Anlagen und ein freundliches Leben. Trotz der unstandesgemäßen Erziehung verweisen hier schon Szenen auf seine ritterliche Bestimmung, z.B. seine Fähigkeiten Hirsche und anderes Wild zu jagen, den Umgang mit dem Gabylot, seine Kraft und seine Schönheit. Im Umfeld des idyllischen Lebens auf Soltâne weiß der Junge sich zu bewegen, er wird bezeichnenderweise hier nirgends als "tôr" oder "tump" bezeichnet.
Seine "tumpheit" erscheint als Charakteristikum beim ersten Kontakt mit der ritterlichen Welt. Das Fehlen der Information über das Rittertum bringt ihn ins Gedränge. Die mütterliche Erziehung, die von der Dichotomie Weiß-Schwarz, Himmel-Hölle, Gott-Teufel geprägt ist,gerät in Gefahr. Das Verhalten Parzivals ist in der Begegnungsszene mit den Rittern für den Rezipienten inadäquat und rührend zugleich. Die drei Ritter verhalten sich gegenüber Parzival nicht höflich, sie lachen ihn aus und finden sein Betragen "toerisch". Nur der Ritter, Karnahkarnanz, der prächtig gerüstet auftritt und sich nach dem Grund für den Aufenthalt erkundigt, bemerkt bei der Begegnung mit Parzival seine Schönheit. Parzival wiederholt im Gespräch mit Karnahkarnanz seine Bitte um Hilfe viele Male. Er ist von dem Glanz der Rüstung und des Wahrgenommenen so geblendet, dass er nicht situationsadäquat handeln kann, er kann die Fragen nicht deutlich beantworten. Hier wird er als fil li roy Gahmuret apostrophiert. Der Rezipient vergleicht den souveränen Umgang Gahmurets mit Fragen der Etikette und Parzivals Unfähigkeit, sich ritterlich zu benehmen. Die Diskrepanz zwischen zugedachtem Status in der Welt und Erziehung werden in dieser Szene deutlicher. Karnahkarnanz zeigt seine Toleranz und sein Verständnis, er erklärt Parzival, dass er nicht Gott sei, aber gerne seine Gebote befolge; sie seien Ritter [Pr. 122, 29-123, 2]. Parzivals Frage "was sei das?" hat die gleiche Struktur wie die Frage nach Gott. Die zweite Frage "wer gÎt ritterschaft" [Pr. 123,4 -123, 6] enthält ein Element der Reflexion: Er hat schon über Gott und seine Allmacht von seiner Mutter erfahren, die behauptet, dass die Ritter nicht identisch mit Gott seien, so geht Parzival davon aus, dass das Rittertum einer anderen Macht entstammt. Parzivals Schönheit ist ein Ausweis seiner ritterlichen Bestimmung und seiner ritterlichen Abstammung. Der Erzähler vergleicht seine Schönheit mit der aller Männer seit Adams Zeiten [Pr. 123, 13-123, 18]. Diese Bemerkung lässt sich als Hinweis lesen, dass Parzivals Schönheit einerseits auf die ritterliche Bestimmung verweist, andererseits auch auf seine Erwähltheit211. Die Abschiedsrede von Karnahkarnanz: "der fürste sprach`got hüete dÎn./ôwÎ wan waer dÎn schoene mÎn!/dir hete got den wunsch gegebn,/ob du mit witzen soldest lebn./diu gotes kraft dir verre leit." [Pr. 124, 17-124, 21] beweist erneut seine tiefere Einsicht in die Besonderheit des Knaben, und seine Einschätzung bildet einen wesentlichen Baustein für die Sicht der Leser auf den Helden. Das Treffen mit den Rittern ist ein neuer Impuls für die weitere Entwicklung. Seine kindlichen Fragen und seine Naivität sind erstaunlich, aber sie bringt ein Ergebnis. Parzival versteht Karnahkarnanz' Worte auf seine kindliche Weise. Er muss glauben, dass man nur zu Artus gehen muss, dort Ritterschaft verliehen bekommt, um in der Folge gegen jeden zu kämpfen, der einem gerüstet gegenübertritt. Der ethische Hintergrund von Karnahkarnanz` Handeln gelangt nicht ins Bewusstsein des Kindes, das auf die äußere Erscheinung fixiert ist und in dieser Fixierung durch die Worte des Ritters bestätigt wird: Ritter ist,wer eine Rüstung trägt und kämpft,so könnte man zusammenfassen.
Als Herzeloyde über das Treffen mit vier "man/noch liehte dann got getan" [Pr. 126, 9] erfährt, fällt sie in Ohnmacht. Der Sohn ist entschlossen, bei Artus Ritterschaft zu erwerben. Hier entsteht die Konstellation zwischen Herzeloydes Gotteslehre und Parzivals Entschluss, Ritter zu werden. In der Begegnung mit den Rittern ist die Verwechslung dieser mit Gott komisch und tragisch zugleich. Die falsche Gottesvorstellung Parzivals wird ihn in einen tiefen Konflikt mit Gott führen, der aus Parzivals Sicht, nicht fähig ist, ihm einen Ausweg in den schwierigen Situationen zu zeigen. Er glaubt später, dass seine Berufung zum Gralskönig wegen seiner ritterlichen Taten erfolge, aber dieser Gedanke ist irreführend.
Die Bildung Parzivals in den "Kindheitsszenen" ist durch die "äußere" Bildung gekennzeichnet, die "innere" Bildung ist mit Parzivals Religiosität, mit seiner Treue und mit seiner Fähigkeit, die Fehler zu gestehen,verbunden. Die letzte wird in der Kindheitsszene nicht vorgeführt.
Die Vaterfigur Gahmuret spielt eine wichtige Rolle in der Sozialisation Parzivals. Es ist bekannt, dass im Mittelalter der Vater als führende Person auftritt, gleichzeitig ein Herrscher und ein Haupt der Familie ist. Obwohl Gahmuret an der Erziehung des Sohnes nicht teilnimmt, erbt Parzival von ihm die wichtigsten Eigenschaften und Tugenden wie Tapferkeit, Tüchtigkeit, Furchtlosigkeit, Entschlossenheit, Stärke, Männlichkeit, Freigebigkeit, Christlichkeit, Begabung für Kriegskunst und den in den Kriegen erworbenen Ruhm des Vaters, was für jene Zeit ein Ehrenzeichen bedeutet, z.B. bei der Beschreibung des ersten ernsten Kampfes vor Pelrapeire nennt der Erzähler Parzival den Sohn König Gahmurets [Pr. 4, 97], der fähig ist, den Ruhm des Vaters zu vermehren; im zweiten Kampf mit Clamide sieht man "Gahmuretes kint ninder müede an keinem lide" [Pr. 4, 213-4, 214]. Diese Worte sind ein Beweis dafür, dass der Sohn seines Vaters würdig ist. Die zukünftige soziale Stellung Parzivals hängt doch immer stärker von seinen eigenen Leistungen ab, weil er erstens das lebendige Vorbild des Vaters verloren hat und keine Verbindung zwischen Vater und Sohn vorhanden ist, zweitens nimmt Herzeloyde eine egoistische Position der alleinerziehenden Mutter ein, die ihren Sohn vor den Fehlern und Sünden, vor dem Tod bewahren will. Hier ist eine Kluft zwischen Vater und Sohn aufgerissen, die nur äußerlich betrachtet werden muss, denn der Sohn vergleicht sich selbst unterbewusst mit dem Vater und folgt seinem Vorbild. Parzival hat keine Wahl, er muss die Leistungen sich eigenverantwortlich selbst erarbeiten. Die Autorität des im Zweikampf gestorbenen Vater ist stärker als die Warnungen der Mutter. Der Vater vertritt ein bestimmtes Wertsystem, eine Tradition, die er an seinen Sohn weiter vermitteln wollte. Der Sohn soll das überlieferte Erbe wahren und mehren und dabei vom Vater noch nicht erreichte Ziele erarbeiten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Gahmuret in seinen Söhnen Parzival und Freirefiz eine Fortsetzung seines Selbst, einWeiterleben in seinen Söhnen sehen wollte.
Mit dem Verlust des Bindeglieds zwischen Vater und Sohn wird die soziale Absonderung des Kindes von den Eltern und die Orientierung an Freundesgruppen wesentlich unterstützt. Parzival hat seinen leiblichen Vater verloren, der sich um seine Aufzucht und Eingliederung in die Gesellschaft kümmern musste. Er muss als Halbwaise aufwachsen. Den Teil der Sozialisierungsfunktion, den sonst der Vater innehat, muss in diesem Fall ein anderer übernehmen. Diese Person kann ein Ersatzvater oder Freund sein, der die Verantwortung für den Jugendlichen und seine Zukunft auf sich nimmt. Im "Parzival" treten zwei Führergestalten auf, die die Rolle des Vaters übernehmen, Gurnemanz und Trevrizent. Sie versuchen, an den Halbwaisen ihre Weltsicht und ihre Werte weiterzugeben, dadurch gerät Parzival unversehens in den Rang der "Persönlichkeit". Die beiden "Erzieher" vertreten zwei verschiedene Weltbilder und Weltmuster: Gurnemanz bringt dem Jungen die weltliche Bildung bei, Trevrizent ist für die religiöse Bildung Parzivals verantwortlich.
Gurnemanz ist für Parzival Vermittler der Grundlage höfischer Bildung und ritterlicher Ausbildung. Das Treffen mit Gurnemanz ist ein unausweichliches (deterministisches) Ereignis. Der "Wilde" braucht Belehrung, seine Schönheit-die göttliche Gunst-, reicht nicht, um ein vorbildhafter Ritter zu werden. Nach dem wohlwollenden Empfang nimmt Gurnemanz Parzival zur Messe mit. Er lehrt ihn einfache Grundsätze der christlichen Religion. Parzival assoziiert Gott mit einer Lichtgestalt. Gurnemanz lehrt ihn, dass die Teilnahme am Opfer, die Abkehr vom Teufel und das Kreuzzeichen sein Glück vermehren können. Dieser neue religiöse Bildungsstand erweitert Parzivals Weltanschauung. Gurnemanz` Lehren erfüllen von einem gesellschafspädagogischen Standtpunkt aus genau die Bedürfnisse des "Wilden". Gurnemanz investiert Material, Bildung und Zuneigung in Parzival und bringt ihn auf ein höheres persönliches, moralisches und soziales Niveau. Parzival soll hilfsbereit und demütig sein, rechtes Maß halten, nicht verschwenderisch sein, sich passend benehmen und dabei nicht viel fragen, Barmherzigkeit mit Kühnheit vereinen, männlich und gut gelaunt sein, Frauen hochschätzen, keine Falschheit in der Liebe haben. Parzival erweist sich als ein "zu braver" Schüler. Er betrachtet die Lehre als Dogma und setzt jede Anweisung unreflektiert und stur wie eine Maschine um, ohne dabei gesunden Menschverstand zu gebrauchen. Die Beherrschung des Ritterhandwerks ist von Gahmurets Art, seine ritterliche Motivation auf Kampftrieb führt ihn zu einem siegreichen Helden. Es ist Gurnemanz` Verdienst, der den unerfahrenen Jungen nicht im Stich lässt, sondern seinen Bildungsstand erhöht.
Die fehlende religiöse Bildung holt Parzival mit der Hilfe Trevrizents nach. Trevrizent warnt Parzival vor Hass und Zweifel und zieht zum Vergleich das Schicksal Luzifers herbei [Pr. 463, 4-463, 30]. Mangelndes Gottvertrauen wird mit Höllenqualen bestraft, wer Buße tut und in Gott vertraut, erlangt Gottes Gnade. Parzival soll Gott vertrauen, weil nur Gott ihn auf den richtigen Weg und an das vorherbestimmte Ziel führen wird, was immer dieses Ziel auch sein mag. Trotz seiner Treue habe Gott, so sagt Parzival, -ihm nicht geholfen. Seine schmerzlichsten Sehnsüchte sind seine Frau und der Gral. Trevrizent beruhigt ihn: wegen der Sehnsucht nach seiner Frau habe er keine Gottesstrafe zu befürchten. Der Gral hingegen sei nur für die Menschen erreichbar, die dazu berufen werden. Dann weiht Trevrizent Parzival in die Geheimnisse des Grals ein:der Gral ist ein Stein, der die Gralsritter speist, er macht unsterblich. Am Karfreitag wird der Gral von einer Taube gestärkt, und auf ihm erscheinen die Namen der zum Gral berufenen Kinder. Parzivals Gralsverständnis leitet sich aus seiner ersten Begegnung mit dem Gral her, als er völlig auf sich selbst bezogen war und lediglich begriff, dass der Gral etwas mit Wundern zu tun haben muss. Die zwischenzeitliche Verfluchung durch Cundrie und Sigune haben ihm keine weitere Erkenntnis über den Gral verschafft, außer der, dass er in den Augen der Gesellschaft versagt hat. Nun öffnet Trevrizent ihm ein tieferes Verständnis für den Gral, seine Funktion und die dazugehörenden Rituale. Er macht ihn auch mit den Bedingungen vertraut, die ein Mensch erfüllen muss, um den Gral zu finden. Nach Trevrizents Erzählen über den Gral und Anfortas Leiden fühlt Parzival seine Schuld. Er schämt sich für seine Sünde gegenüber Anfortas und beichtet endlich seinen Besuch beim Gral. Er sieht sich als hoffnungslosen Fall und bittet Trevrizent um Rat. Trevrizent rät ihm, Mut zu fassen und nicht an Gott zu verzweifeln. Trevrizent beurteilt Parzivals Versagen recht pragmatisch und hält seine Verfehlungen für wiedergutmachbar. Parzival ist am absoluten Tiefpunkt seines Prozesses der Bewusstwerdung angelangt. Er könnte an dieser Stelle ganz leicht in Buße und Demut verharren bis an sein Lebensende.Trevrizent führt ihn aber auf einen anderen Weg. Er rät ihm, stets weiterzulernen. Er ermuntert ihn, sein Herz mit Mut zu füllen und nicht zu verzweifeln, hohe Ziele anzustreben und Verlorenes wiederzugewinnen. Damit klärt Trevrizent nicht nur die innere Befindlichkeit von Parzival, sondern nimmt auch entscheidend Einfluss auf seinen weiteren Werdegang. Trevrizents Lehre stärkt Parzival. Die Fülle von Wissen, neuen Einsichten und Werten stattet Parzival mit massiv verbesserten Entscheidungsgrundlagen aus. Sein Verhalten wird nie wieder so sein wie vorher. Auch wenn er weiterhin nur das tun wird, was er gelernt hat, weiß er jetzt doch genug, um sich auch in schwierigen Situationen angemessen zu verhalten. Zum Abschied rät Trevrizent ihm, sich Frauen und Priestern stets ehrerbietig zu zeigen. Trevrizent hat Parzivals Bildung vervollkommnet. Durch die Absolution schafft er schließlich die elementare Voraussetzung dafür, dass Parzival vor Gott bestehen kann und auch den Gral finden darf. Die von Trevrizent erworbenen Werte wie Erbarmen, unbeirrte Treue, absolute Liebe, unglaubliche Keuschheit helfen Parzival denWeg zum Gral zu finden.
Was Wolfram unter dem Bilde Parzivals symbolisch gegeben hat, ist eine letzte Überhöhung des Menschenideals aus dem Geiste mittelalterlicher Weltanschauung: Die Vereinigung von Weltstaat und Gottesstaat, von Menschlichem und Göttlichem. Über dem rein religiösen Menschen (Trevrizent) und dem weltfrohen Ritter (Gawan) wölbt sich bei Wolfram das Humanitätsideal der staufischen Zeit: Der Gralsritter Parzival, zugleich gottnahe und weltfreudig. Und damit zeigt Wolfram, wie man über das Irdische erhoben der Erde treu bleiben kann. In dieser Zielsetzung wird man eine Vorbereitung des Bildungsideals der Neuzeit sehen können. Dies wird besonders in den Schlussworten der Dichtung deutlich: Wessen Leben so endet, dass die Seele durch die Last des Leibes von Gott nicht weggepfändet wird, und wer doch bei höchster Sittlichkeit in der Gunst der bunten Welt bleibt,der hat sinnvoll gerungen. Freilich setzt der Bildungsgang Parzivals noch voraus, dass man zum Gralsrittertum berufen sein muss. Mit Willen lässt sich die Gralsburg nicht erreichen, unbewusst kann es nur geschehen, und Gottes Führung ist die Voraussetzung. Wenn der Dichter aber andeutet, dass Parzival sich den Gral zugleich selbst erstritten hat, so gewinnt die Märe zugleich allgemeinere Bedeutung. Auf diesem Grund entwickelt sich ein Persönlichkeitsideal, das den Gedanken organischer Bildung in sich schließt.
191Buck, 1984, S. 151.
192Blankertz, 1978, S. 67.
193Erikson, 2002, S. 137.
194Conze et alii, 1995, S. 100.
195Blankenburg, 1965, S. 324.
196Ebd., S. 387.
197Ebd., S. 395.
198Jacobs, 1972, S. 301.
199Blankenburg, 1965, S. 435.
200Lämmert, 1988, S. 257.
201Ebd., S. 256.
202Dilthey, 1924, S. 393.
203Ebd., S. 394.
204Jacobs, 1972, S. 15.
205Ebd., S. 272.
206Selbmann, 1984, S. 38.
207Selbmann, 1984, S. 40.
208Ebd., 1984, S. 40.
209Mayer, 1992. S. 19.
210Lämmert, 1988, S. 243.
211Blankertz, 1978, S. 44.
Literaturverzeichnis
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BLANKERTZ, H. Bildung //C. Wulf (Hrsg.). Wörterbuch der Erziehung. München, 1978 [=Blankertz, 1978].
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ESCHENBACH, Wolfram von. Parzival B I, B II. Philipp Reclam jun. GmbH& Co., Stuttgart, 2005 [=Eschenbach, 2005].
Irina CIORNAIA,
Magister,
Staatliche Aleku-Russo-Universität, Balti, Republik Moldau
Irina CIORNAIA: 1) lector universitar, Catedra Filologie Germana, Universitatea de Stat «Alecu Russo» din Balti; 2) autoare de lucrari stiintifice si didactice, publicate În culegeri si reviste de prestigiu din tara; 3) participanta la Întruniri stiintifice si metodice nationale si internationale; 4) câstigatoare a numeroase graturi, oferite de universitatile din Germania si Austria; 5) domeniile de cercetare: literatura germana, literatura comparata.
Irina CIORNAIA: 1) Lecturer, German Philology Department, Alecu Russo State University of Balti; 2) author of scientific works published in prestigious national and international journals and volumes; 3) participant in national and international scientific conferences; 4) winner of several grants offered by universities from Germany and Austria; 5) research areas: German literature, comparative literature.
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Copyright Universitatea de Stat "Alecu Russo" din Balti 2010
Abstract
In the article under consideration the events' development in the Bildungsroman are reviewed by Wieland and Blanckenburg. The Bildungsroman scheme examines the crisis development of a young man in his self-identification. The goal and the explanatory presentation of superior humanity remind of the religious ideas and substitute the older religiously defined models of self-development. Wolfram's Parzival may be considered as predecessor of the bildungsroman. Parzival grows up without a father, he is a child of nature. The birdsong moves his heart, he sticks remotely to the knight world and may be considered as a "Fool", that is (=i.e.) alienated from the whole world. After a meeting with knights whom he has considered to be gods, he would like to imitate them, without realizing what the knight estate in fact means. He has two educators who perform the role of his father. They are Gurnemanz and Trevrizent who have taught him the formation about the world and religion. Trevrizent has also revealed him the truth about the Grail Cup. Such educational experience makes Parzival to be an absolutely different man. He has acquired knowledge and positive qualities which at last contribute to finding of the Grail Cup. Thus the earthly and religious diadems are connected with the ideal of a medieval man. [PUBLICATION ABSTRACT]
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