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Abstract

Nach dem II. Weltkrieg herrschte im gespalteten Berlin große Wohnungsnot. Anders als in anderen Bundesländern, konnte der Wiederaufbau erst 1950 beginnen, unter anderen Faktoren wegen der besonderen geopolitischen Situation West-Berlins, die während der Blockade die Spitze erreichte. Angesichts der Dringlichkeit sowie der Knappheit an Mitteln und Baumaterialien entstand ein „Notprogramm“, das Wohnungen für besonders bedürftige Sozialgruppen möglichst günstig und schnell schaffen sollte. Diese Bauten mussten auch Forschungszwecken dienen, um neue Baumaterialien und Bautechniken zu untersuchen. Dabei durften die Bausubstanz und die Ausstattung durchaus minderwertig sein, denn die Wohnungen waren als „Notlösungen“ konzipiert, also für eine Dauer von höchstens 20 Jahren geplant.

So entstand das einzigartige West-Berliner „Kleinraumwohnungsprogramm 1952/1953”. Im Rahmen dieses Programms wurden zwischen 1952 und 1954 acht Wohnsiedlungen, später als „Kleinraumsiedlungen“ (KRS1 ) bekannt, amWest-Berliner Stadtrand gebaut. Es handelte sich dabei um die ersten Siedlungen, die auf „Neuland“2 , also unbebauten Grundstücken errichtet wurden.3 Alle Siedlungen wurden nach der gleichen Typologie – nach dem Entwurf der Architekten Dr. Eric Böckler, Alexander Hunecke, Karl-Heinz Hübner, Walter Labes, Hans und Wassili Luckhardt und Prof. Eduard Ludwig – gebaut. Vier Siedlungen wurden mit zweigeschossigen Zeilen errichtet, die späteren vier Kleinraumsiedlungen waren dreigeschossig. Die städtebauliche Struktur wies in allen Fällen eine geringe Baudichte unddie zur Nachkriegszeit übliche aufgelockerte Bebauungsstruktur auf. Die baulichen Standards sowie die Mieten waren niedriger als in den damaligen West-Berliner Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus.

Die einfachen, in sogenannter „Schlichtbauweise” errichteten Siedlungen – insbesondere die zweigeschossigen – wiesen kurz nach ihrer Entstehung erhebliche Mängel auf. Bereits in den 1960er Jahren mussten die ersten Reparaturen an den misslungenen Bauexperimenten durchgeführt werden und nach 20 Jahren wurde, entgegen den anfänglichen Plänen, keine einzige Kleinraumsiedlung abgerissen. Die „Notlösung“ wurde zwar zum dauerhaften Wohnraum, jedoch mit unterdurchschnittlichen Wohnverhältnissen. Der heruntergekommene bauliche Zustand und die besondere soziale Zusammensetzung – sog. „unverschuldet in Not geratene Personen“ und Sowjetzonenflüchtlinge – führten zu einer Stigmatisierung der Kleinraumsiedlungen, die schließlich im Volksmund die Bezeichnung„Mau-MauSiedlungen”4 bekamen. In den folgenden fünf Jahrzehnten wurden alle KRS mit verschiedener Intensität erneuert. Die Maßnahmen reichten von Instandsetzung über Modernisierung und Umbau bis Abriss und Neubau. In den frühen 2000er Jahren befanden sich die acht Wohnsiedlungen in relativ gutem baulichem Zustand, wurden nicht mehr als „Mau-Mau-Siedlungen” bezeichnet und galten allgemein nicht mehr als besonders problematische Wohngebiete.

Obwohl die KRS und ihre Entwicklungen meistens unbeachtet blieben, spiegeln diese Erneuerungsverfahren z.T. wichtige Prozesse der Stadterneuerung in West-Berlin wider: Die Siedlung Woltmannweg war gegen Ende der 1970er Jahre das erste „Neubau“-Sanierungsgebiet, der Schlierbacher Weg war eine der ersten und wenigen Aufstockungsmaßnahmen Anfang der 1990er Jahre, während der Pulvermühlenweg zur ersten Etappe des Entwicklungsgebiets „Wasserstadt-Oberhavel” gehörte, einem Modellvorhaben der Berliner Stadtentwicklungspolitik nach der Wende, um einige Beispiele zu nennen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die acht Berliner Kleinraumsiedlungen, die bisher – trotz der o.g. Besonderheiten – nicht umfassend erforscht wurden.

Alternate abstract:

After World War II there was a great housing shortage in Berlin. Unlike in other states, reconstruction could not begin until 1950, among other factors because of the special geopolitical situation of West Berlin. Given the urgency and scarcity of funds and building materials, a housing emergency program was created, which was supposed to build apartments for particularly needy social groups as cheaply and quickly as possible. This is how the West Berlin "Small Housing Program 1952/1953" was born. As part of this program, between 1952 and 1954, eight housing estates, later known as "Small Housing Estates”, were built on the outskirts of West Berlin. All housing estates were built according to the same typology, with the usual post-war period loosened urban structure the urban structure, with two- and three-storey buildings. The "emergency solution" became a permanent housing solution, but with below-average living conditions. The so-called "simple construction" settlements had significant construction problems shortly after their creation. The run-down state of the dwellings and the particular social composition led to a stigmatization of the housing estates, which were popularly called "Mau-Mau settlements". Over the next five decades, all these "small housing estates” were renewed with varying degrees of intervention, and in the early 2000s were in relatively good condition, well-integrated in the city of Berlin and mostly exempt from the "Mau Mau stigma". The central research question is therefore, through which measures and under which circumstances an improvement of the structural, social and economic conditions of these KRS was possible. The study aims, on the basis of typologically identical housing estates, to work out the complex and diverse bundle of housing policy, economic, structural, social and ecological aspects of the renewal of "simple construction" settlements.

Details

Title
Erneuerung Von Siedlungen in Schlichtbauweise Am Beispiel Von Kleinraumsiedlungen Der 1950er Jahre in West-Berlin
Author
Kralemann, Ximena Juana Villegas
Publication year
2020
Publisher
ProQuest Dissertations & Theses
ISBN
9798522940058
Source type
Dissertation or Thesis
Language of publication
German
ProQuest document ID
2355515546
Copyright
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